Welche Botschaft kommt an?

  • Dr. Angelica Ensel, Hebamme, Ethnologin und Redakteurin der DHZ: »Kommunizieren ist eines der wirksamsten Werkzeuge in der Hebammenarbeit – mit und ohne Sprache.«

  • Es beginnt mit der Anamnese und der Frage, wie wir das Gespräch mit der Schwangeren eröffnen. Ob wir mit der Abfrage von Daten oder medizinischen Aspekten beginnen, oder ob wir fragen: »Wie geht es Ihnen mit Ihrer Schwangerschaft?«, macht einen Unterschied. Es prägt den weiteren Gesprächsverlauf und sicher auch die Beziehung. Und wir vermitteln damit eine Botschaft. Mit der Frage nach der Selbstwahrnehmung der Schwangeren und durch achtsames Zuhören signalisieren wir: Sie steht im Mittelpunkt – als Expertin für ihren Körper. Sie deutet die Zeichen, wir folgen ihr.

    Kommunizieren – mit und ohne Sprache – ist eines der wichtigsten und wirksamsten Werkzeuge in der Hebammenarbeit. Dass Worte äußerst wirkmächtig sind, ist keine neue Erkenntnis: dass sie empowern oder traumatisieren, eine Not abwenden oder erst erzeugen können, unter Umständen nie vergessen werden, andere manipulieren oder wieder zu sich selbst zurückbringen können – dass sie unter die Haut gehen. Durch die Jahrhunderte und Kulturen wurde und wird die Wirkmacht der Worte in Medizin und Heilkunde in vielfältiger Form genutzt – vom Schamanismus bis hin zur Psychoanalyse. Das Wissen aus der Forschung über dieses unglaublich komplexe Zusammenspiel zwischen Sprache, Körper und Seele ist faszinierend. Und es birgt eine große Verantwortung: Je mehr wir wissen, desto größer ist die ethische Verpflichtung, achtsam zu sprechen und das Potenzial zu nutzen, das uns bei der Begleitung im Kontinuum Elternwerden zur Verfügung steht. Im Sprechen erschaffen wir Wirklichkeit und Wirksamkeit.

    Unsere Sprache spiegelt unsere Hebammenphilosophie, -wissenschaft und -ethik wider. Im Dialog eröffnen wir Räume, gestalten Beziehungen, aktivieren innere Bilder, begleiten die Suchbewegungen, helfen, etwas in Worte zu fassen, locken es hervor, spiegeln Gefühle, verbinden uns oder grenzen uns ab. Wir können Großartiges bewirken oder verstörend sein.

    Kritische Selbstreflexion ist ein zentrales Werkzeug der Hebammenarbeit und ein unabdingbarer Bestandteil im Erlernen professioneller Kommunikation: Wie spreche ich eigentlich? Welche Botschaften vermittele ich, bewusst und unbewusst? Welche Rolle spielen dabei mein Körper, meine Stimme und meine innere Haltung? Wie kommt die Botschaft an?

    Die Analyse des eigenen Sprechens bietet das Potenzial, sich selbst und die eigene Gestaltungsmacht zu verstehen. Indem wir unser Sprechen verändern, arbeiten wir an unserer Haltung – eine lebenslange Aufgabe. Was wir dabei lernen, ist wertvoll – nicht nur für unsere Arbeit als Hebamme.