Mit Gefahrstoffen umgehen
Die Sorge vor Infektionen hat zu einem großzügigen Einsatz von chemischen Mitteln geführt, von denen wiederum gesundheitliche Gefahren ausgehen. Der maßvolle Umgang und die Suche nach Alternativen führen zu Vorgehensweisen, die sowohl den Schutz vor Infektionen als auch den Schutz vor gesundheitlichen Gefahren durch Infektionsschutzmittel berücksichtigen.
Die Hygieneregeln einzuhalten, erfordert im Bereich der Hebammentätigkeit den Einsatz von Desinfektions- und Reinigungsmitteln (siehe DHZ Heft 5/2015, Seite 64ff.). Diese gehören zu den Gefahrstoffen, da sie gesundheitsschädlich sein können. Kommen sie zum Einsatz gilt es alle, die damit in Kontakt kommen könnten, zu schützen.
Rechtliche Grundlagen
Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) von 2010 regelt den Umgang mit allen Arten von Gefahrstoffen außer den biologischen, zu denen es eine separate Verordnung gibt. Gefahrstoffe sind alle Stoffe, die als reizend, ätzend, gesundheitsschädlich, erbgutschädigend, giftig, leicht entflammbar, umweltgefährdend oder explosionsgefährlich gelten. Im Bereich der Hebammentätigkeit gehören hauptsächlich Desinfektions- und Reinigungsmittel, aber auch Sauerstoff und Toner von Druckern zu den Gefahrstoffen. Die zu schützende Zielgruppe geht über die allgemeinen Arbeitsschutzbestimmungen hinaus, indem nicht nur ArbeitnehmerInnen geschützt werden sollen, sondern auch Ehrenamtliche, PraktikantInnen, Studierende und die KundInnen (Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik 2012). Dem Arbeitgeber stehen Unternehmer ohne Beschäftigte gleich (§ 2 Absatz 7 GefStoffV). Insofern betrifft der Umgang mit Gefahrstoffen jede freiberufliche Hebamme, wenn auch in geringerem Umfang als bei der Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen, weil die Verpflichtungen zu Einarbeitung, Unterweisung, Erstellung von Betriebsanweisungen und ähnlichem entfallen. Hierbei sind außerdem die Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) – und die besonders strengen Bestimmungen der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz – in Bezug auf Gefahrstoffe zu beachten.
Die Gefahrstoffverordnung richtet sich an alle Personen und Unternehmen, die in irgendeiner Weise mit Gefahrstoffen umgehen. Das betrifft Produktion, Lagerung, Vertrieb, Beförderung, Einsatz, Überwachung und Entsorgung. Sie ist entsprechend umfangreich. Praktische, auf den für Hebammen relevanten Anteil begrenzte Regelungen, werden durch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) veröffentlicht.
In der eigenen Praxis
Die Erfüllung der Anforderungen zum Umgang mit Gefahrstoffen erfolgt je nach Tätigkeitsbereich in Arbeitsschritten, die in Tabelle 1 dargestellt sind.
Information, Erfassung und Analyse
Oft werden seit Jahren die gleichen Produkte zur Desinfektion verwendet. Sie finden sich im Idealfall schon in einem Hygieneplan wieder (siehe DHZ Heft 5/2015, Seite 65/66). Durch neue Erkenntnisse und gesetzliche Regelungen gibt es viele Neuerungen, von denen einige nutzbringend umgesetzt werden könnten. Bei der Bearbeitung des Themas werden zunächst alle verwendeten Gefahrstoffe erfasst (siehe Tabelle 1, Punkt 1) und ergänzende Informationen dazu eingeholt. Zusätzlich zu den Angaben auf der Verpackung können Sicherheitsdatenblätter beim Hersteller oder Lieferanten angefordert oder im Internet bezogen werden (siehe Tabelle 1, Punkt 2). Als Kundenservice und Marketinginstrument stellen Hersteller oft auch Betriebsanweisungen und Musterhygienepläne für verschiedene Bereiche zum Download zur Verfügung.
Die Sicherheitsdatenblätter umfassen Informationen zu Inhaltsstoffen, Anwendung, Lagerung, konkreter Gefährdung, Hinweisen für Schwangere und Stillende, Schutzmaßnahmen und Erste-Hilfe-Maßnahmen.
Ziel des Gefahrstoffmanagements ist es, möglichst wenige Gefahrstoffe zu verwenden und die Gefahren möglichst gering zu halten. Nach der Erfassung wird daher überprüft, auf welche Mittel ganz verzichtet werden kann und welche durch weniger schädliche ersetzt werden können (siehe Tabelle 1, Punkt 4).
Bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln wird beispielsweise das „ätzende" gegenüber dem „gesundheitsschädlichen" präferiert. Alle Gefahrstoffe müssen mit Piktogrammen und Kurznotiz gekennzeichnet sein, aus denen die Art der Gefährdung erkenntlich ist. Dabei ist zu beachten, dass nach Ablauf einer Übergangszeit in 2015 die neuen international gültigen Symbole verwendet werden müssen. Eine Übersicht der alten und neuen Symbole findet sich über Tabelle 1, Punkt 3.
Im Putzschrank der Hebammenpraxis findet sich neben Desinfektionsmitteln oft ein ganzes Arsenal an unterschiedlichen Spezialmitteln (Abflussreiniger, Entkalker, spezielle Mittel für Chrom und anderes), die nicht selten durch eifrige Reinigungskräfte angeschafft wurden. Als gesündere Alternative kommen beispielsweise die weitgehende Verwendung von Allzweckreiniger statt Spezialprodukten, mechanische Hilfsmittel (Poliertuch für Chrom, Haarsieb und Gummistampfer für den Abfluss) und Essig oder Zitronensäure zum Entkalken in Betracht.
Auch Dosierung und Anwendung können oft optimiert werden. Wischdesinfektion ist grundsätzlich gesünder als Sprühdesinfektion, die nur für sehr kleine Flächen und schwer zugängliche Stellen angewandt werden sollte.
Hilfsmittel zur Dosierung und Anwendung sorgen nicht nur dafür, dass Keime wirksam abgetötet und damit die Resistenzbildung vermieden wird, sie beugen auch der Überdosierung vor. Denn von einer zu hohen Dosierung gehen Gefahren für die Gesundheit aus. Hilfsmittel zur Dosierung rechnen sich auch wirtschaftlich, insbesondere wenn Kosten durch Fehlanwendung und Arbeitszeiten zur Herstellung gebrauchsfertiger Lösungen mitgerechnet werden. Auch die Verwendung von speziellen Einmaltüchern für die Wischdesinfektion ist durchaus sinnvoll. Während beispielsweise eine Küchenrolle darauf optimiert ist, möglichst viel Flüssigkeit aufzunehmen und einzuhalten, sind Tücher zur Desinfektion darauf optimiert, möglichst geringe Mengen aufzunehmen und gut wieder abzugeben.
Je nach Größe der Einrichtung und Verwendungsmenge kommen folgende Hilfsmittel in Betracht (Kosten in Klammern):
- Dosierkappe (circa 0,60 Euro)
- Dosierpumpe (Dispenser) (circa 2,80 bis 13 Euro)
- Kanisterdosierer mit automatischer Wasserzufuhr (ab circa 150 Euro)
- Vliestuchspendersystem (Eimermodell ab circa 6 Euro, je Tuch ab circa 0,04 Euro).
Schutzmaßnahmen
Nachdem entschieden wurde, welche Mittel zukünftig Verwendung finden, werden die Schutzmaßnahmen zusammengestellt, die bei der Benutzung der Mittel zu beachten sind. Hierzu können gehören:
- Schutzkleidung (siehe Tabelle 1, Punkt 5a)
- Schutzhandschuhe
- Hautschutzpflege (siehe Tabelle 1, Punkt 5b)
- ätzende Stoffe nur unter Augenhöhe aufbewahren
- kein Umfüllen
- für gute Durchlüftung sorgen
- spezielle Anwendungsmethode (kontaktfreie Bodenwischmethode)
- Abdeckung von Desinfektionsmittelbädern
- Verbot von Essen, Trinken und Rauchen während der Anwendung.
Wichtige Hinweise zu den jeweiligen Schutzmaßnahmen der Mittel finden sich in den Sicherheitsdatenblättern und Produktinformationen der Hersteller.
Gefahrstoffverzeichnis
Alle verwendeten Mittel werden in einem Gefahrstoffverzeichnis geführt. Darin werden auch die durchgeführte Ersatzmittelprüfung dokumentiert, das Datum des Sicherheitsdatenblattes und die durchschnittliche Jahresverbrauchsmenge. Praxen und Geburtshäuser, die schon bisher Dokumente mit den alten Symbolen verwendet haben, müssen diese entsprechend der neuen Kennzeichnung und Klassifizierung überarbeiten. Ein aktuelles Muster eines Gefahrstoffverzeichnisses findet sich über Tabelle 1, Punkt 6.
Unterweisung und Betriebsanweisung
Werden Personen beschäftigt, die in Kontakt mit Gefahrstoffen kommen können, so müssen diese unterwiesen werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ein reguläres Beschäftigungsverhältnis besteht. Die Unterweisung erfolgt bei Beginn der Tätigkeit und regelmäßig bei Änderungen, beispielsweise beim Wechsel des Desinfektionsmittels, sowie einmal jährlich. Die erfolgte Unterweisung wird dokumentiert und von der Beschäftigten bestätigt. Muster zur Dokumentation finden sich in Tabelle 1, Punkt 7. Zu empfehlen ist, die Nutzung anderer als der vorgesehenen Mittel explizit zu untersagen oder von der Erlaubnis der Unternehmerin abhängig zu machen.
Die laufende Erinnerung an das vorgeschriebene Verfahren im Umgang mit dem Gefahrstoff erfolgt über eine Betriebsanweisung, die in der Nähe des Standortes beziehungsweise des Zubereitungsortes des Gefahrstoffes aufgehängt werden kann. Die Betriebsanweisung enthält alle wesentlichen Informationen, die sich aus dem Sicherheitsdatenblatt ergeben. Neben Angaben zur Dosierung und zu Schutzmaßnahmen sind auch das Verhalten bei versehentlicher Fehlnutzung (Augenkontakt, Einatmen, Verschlucken, Hautkontakt) und Notfallnummern enthalten (siehe Tabelle 1, Punkt 8 und Beispiel in der Ergänzung).
Bei der Bearbeitung des Themas können Betriebsarzt und Sicherheitsbeauftragter (Verpflichtung für ArbeitgeberInnen) wertvolle Hinweise zu den bestehenden Gefährdungen und deren Minimierung geben.
Laserdrucker
Neben den Mitteln, deren Gefahrenpotenzial unmittelbar bekannt ist, kann es weitere Gefahrstoffe bei der Berufsausübung geben, an die nicht sofort gedacht wird. Hierzu gehören beispielsweise Laserdrucker, deren Tonerpulver beim Betrieb und beim Wechsel der Katuschen Partikel an die Luft abgeben, die über die Atemluft eingeatmet werden oder durch Hautkontakt mit den Händen beim Wechseln der Katuschen zu einer Kontamination führen können. Seit einigen Jahren geht der Trend zur Produktion schadstoffarmer Drucker. Diese können über die Internetseite des „Blauen Engels" gefunden werden oder sind an dem Qualitätssiegel „BG-Prüfzert – schadstoffgeprüft" zu erkennen. Nähere Informationen dazu finden sich in der Broschüre „Laserdrucker – sicher betreiben" (Bundesverband der Unfallkassen 2007) und unter http://www.dguv.de/dguv/ifa/Praxishilfen/Laserdrucker-Kopierer/index.jsp.
Lagerung
Die meisten der Anforderungen an die Lagerung entsprechen dem gesunden Menschenverstand:
- getrennt von Lebensmitteln
- außerhalb der Reichweite von Kindern
- nicht zusammen mit anderen leicht entzündlichen Stoffen (beispielsweise Altpapier)
- Beachtung der vom Hersteller angegebenen Grenzen für die Umgebungstemperatur (wichtig im Kofferraum des PKW).
Bei Gesamtmengen über fünf Liter, die bei wirtschaftlicher Beschaffung in einer Praxis oder einem Geburtshaus leicht zusammen kommen, gelten besondere Verpflichtungen.
Fazit
Auch wenn die Hebamme ohne Beschäftigte zu Unterweisungen und Betriebsanweisungen nicht verpflichtet ist, ist für den Selbstschutz die regelmäßige Information zu den verwendeten Gefahrstoffen sinnvoll. Eine „Betriebsanweisung" als Erinnerungsstütze kann im Notfall helfen, eigene Gesundheitsschäden zu minimieren.
In Teams kann eine Hebamme die Aufgabe der Aktualisierung übernehmen und die Kolleginnen regelmäßig informieren. Dies kann auch Hand in Hand mit dem Thema Hygiene geschehen. Die Unternehmerin sollte sich selbst genauso schützen wie die Beschäftigten.
Literatur
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege – BGW (Hrsg.): Unterweisung in der betrieblichen Praxis. https://www.bgw-online.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medientypen/bgw_ratgeber/RGM8_Unterweisung_in_der_betrieblichen_Praxis_Download.pdf?__blob=publicationFile (2008)
Bundesverband der Unfallkassen (Hrsg.): Laserdrucker – sicher betreiben, http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/i-820.pdf (2007)
Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG): Artikel 1 G. v. 07.08.1996 BGBl. I S. 1246; zuletzt geändert durch Artikel 8 G. v. 19.10.2013 BGBl. I S. 3836; Geltung ab 21.08.1996. http://www.buzer.de/gesetz/954/index.htm
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