Leseprobe: DHZ 05/2022

Schwangerschaftsrisiko Endometriose?

Endometriose ist eine weit verbreitete Erkrankung, bei der Endometrium außerhalb der Gebärmutter vorkommt. Die Entstehung wird von vielen Faktoren beeinflusst und ist noch nicht vollständig erforscht. Was bedeutet sie für eine Schwangerschaft und Geburt? Prof. Dr. Michael D. Mueller, Dr. med. univ. Marietta Gulz,

Endometriose ist eine häufige Erkrankung und betrifft weltweit etwa 10 % aller Frauen im reproduktiven Alter (Shafrir et al. 2018). In der Schwangerschaft kann sie zu schweren, wenn auch seltenen Komplikationen führen. Sie wird in drei Formen eingeteilt: peritoneal, ovariell und tief infiltrierend. Die peritoneale Form ist die häufigste, sie definiert den oberflächlichen Endometriosebefall des Bauchfells (Peritoneum) und erscheint punktförmig bis flächig. 30 bis 40 % der Betroffenen leiden unter einer ovariellen Endometriose, auch als Endometriom oder Schokoladenzyste bekannt (Navarro et al. 2020). Seltener ist das Vorkommen einer tief infiltrierenden Endometriose, welche durch eine Infiltration des Gewebes von mindestens 5 mm definiert wird (Koninckx et al. 1991). Aufgrund der Form und Konsistenz werden diese Herde auch als Endometrioseknoten bezeichnet.

 

 

Fotos: © Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern

 

 

Bis hin zur Unfruchtbarkeit

 

Tief infiltrierende Endometriose kann sämtliche Organe betreffen, wie zum Beispiel den Darm und die Harnblase, aber auch Gewebe außerhalb der Bauchhöhle, beispielsweise Sectionarben. Tritt sie in der Gebärmutterwand auf, spricht man von einer Adenomyose. Es wurde auch Endometriose in der Kaiserschnittnarbe der Gebärmutter beschrieben und als iatrogene Adenomyose oder uterine Sectionarbenendometriose bezeichnet (Gulz et al. 2022).

Endometriose schränkt die Lebensqualität der betroffenen Frauen ein. Sie ist von unterschiedlichen Schmerzformen begleitet und kann zu Unfruchtbarkeit führen (Zondervan et al. 2020). Ein Drittel aller Patientinnen sind von Sterilität betroffen (Prescott et al. 2016). Bei bis zu 50 % aller Frauen mit einer Sterilität kann eine Endometriose diagnostiziert werden (Shafrir et al. 2018). So können Endometriome durch eine Zerstörung des Eierstockes und Verlust von funktionierenden Follikeln zu einer Sterilität führen. Dass Endometriome komplett verschwinden, ist selten. Normalerweise sind sie nicht sehr groß und eine Größenzunahme ist nicht zwingend. Sie können aber auch über 10 cm groß werden. Selten platzen Endometriome, selten kommt es zu einer Blutung in die Bauchhöhle und bei starken Schmerzen oder Kreislaufinstabilität zu einer Notoperation.

Einige Studien zeigen, dass bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch die Entfernung von peritonealer, ovarieller und tief infiltrierender Endometriose zu einer Verbesserung der Fertilität führt (Marcoux et al. 1997; Hodgson et al. 2020; Bafort et al. 2020).

 

Symptome in der Schwangerschaft

 

Während es für nicht-schwangere Frauen mit Endometriose klare Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie gibt, sind diese für Schwangere noch nicht klar definiert. Dies liegt daran, dass es deutlich weniger Daten dazu gibt. Einige durch Endometriose verursachte Symptome können während einer Schwangerschaft verschwinden. Postpartal kann es zu einer Besserung der Schmerzsymptomatik im Vergleich zur Zeit vor der Schwangerschaft kommen (Alberico et al. 2018). Dieser positive Einfluss kann einerseits durch die hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft erklärt werden, andererseits jedoch vor allem durch die begleitende Amenorrhoe.

Die Größenzunahme von Endometrioseherden ist östrogenabhängig. In der Schwangerschaft nimmt die Progesteronproduktion durch das Corpus luteum und die Plazenta zu, und überwiegt im Vergleich zu Östrogen. Dadurch kann die Ausbreitung der Endometriose gehemmt werden, zurückgehen oder in bis zu 50 % der Fälle sogar vollständig verschwinden (Sourial et al. 2014). Dies geschieht meist im zweiten und dritten Trimenon.

Es kann aber auch zu einer Progression der Erkrankung in der Schwangerschaft kommen, was durch eine mögliche Dezidualisierung der Endometrioseherde erklärt werden kann. Dezidualisierung ist ein physiologischer Prozess in der Schwangerschaft. Dabei wird das Endometrium unter Progesteroneinfluss aufgebaut und umgewandelt, um optimale Schwangerschaftsbedingungen zu schaffen. Hierbei hypertrophieren die zum Stützgewebe des Endometriums gehörenden stromalen Zellen.

Bei bestehenden Endometrioseherden kann es zur vermehrten Vaskularisation kommen. In bis zu 40 % der Fälle wachsen Endometriome während der Schwangerschaft. Durch Dezidualisierung können sie sich in ihrer Erscheinungsform verändern und sonografisch suspekt werden. Zum Ausschluss eines malignen Geschehens oder bei Symptomen kann eine operative Abklärung notwendig werden (Navarro et al. 2020).

 

Mögliche Komplikationen

 

Endometriose kann in der Schwangerschaft und während der Geburt zu Komplikationen führen. Die Literatur beschreibt ein erhöhtes Risiko für eine Placenta praevia, vorzeitige Plazentalösung, spontane Blutung in die Bauchhöhle (Hämatoperitoneum), Darmperforation, Uterusruptur, Präeklampsie, Gestationshypertonie, Gestationsdiabetes, ektope Schwangerschaften, Fehlgeburten, Frühgeburten, intrauterinen Fruchttod, niedriges Geburtsgewicht, kindliche Fehlbildungen und neonatalen Tod (Gasparri et al. 2018).

Warum gerade bei Endometriose ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen besteht, ist nicht geklärt. Zum einen können entzündliche Prozesse, die mit einer Endometriose einhergehen, die Entstehung von Gestationsdiabetes und -hypertonie, Präeklampsie und Frühgeburt fördern (McKinnon et al. 2015; Farland et al. 2020). Zum anderen führt Endometriose möglicherweise zu einer gesteigerten und gestörten uterinen Kontraktilität. Auf diese Weise kann es zu Fehlgeburten kommen. Eine abnormale Blastozystenimplantation aufgrund gestörter uteriner Kontraktilität kann die Entstehung von Plazenta praevia oder ektoper Schwangerschaft fördern (Exacoustos et al. 2016).

Mögliche weitere Folgen können ein spontanes Hämatoperitoneum, Darmperforationen und Uterusrupturen während der Schwangerschaft und unter der Geburt sein. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für einen Kaiserschnitt und damit verbunden intraoperativ ein erhöhtes Blutungs- und Organverletzungsrisiko (Exacoustos et al. 2016; Maggiore et al. 2017; Nirgianakis et al. 2018).

 

Ergebnisse aus Studien

 

In den letzten Jahren haben einige Studien endometriosebedingte Schwangerschaftskomplikationen erforscht. Die Datenlage ist zwar noch kontrovers, es lassen sich aber erste Erkenntnisse zusammenfassen.

Eine Studie von Roberti Maggiore et al. beschreibt das Auftreten von spontanem Hämatoperitoneum, Darmperforationen und Uterusrupturen bei Schwangeren mit Endometriose. Diese seltenen, aber lebensbedrohlichen Komplikationen erfordern eine sofortige chirurgische Intervention. Die Studie zeigt auch, dass Frauen mit Endometriose ein erhöhtes Risiko für eine Placenta praevia haben. Für andere Schwangerschaftskomplikationen wie Fehlgeburten, Gestationshypertonie und niedriges Geburtsgewicht ist die Datenlage unklar (Maggiore et al. 2017).

Die Endometrioseform und präkonzeptionelle Therapien können das Risiko für Komplikationen in der Schwangerschaft beeinflussen. Zum Beispiel stellen Nirgianakis und Kolleg:innen in einer Studie der Frauenklinik des Inselspitals Bern ein signifikant höheres Risiko für eine Placenta praevia, Gestationshypertonie und ein niedriges Geburtsgewicht bei Schwangeren nach präkonzeptioneller Endometrioseresektion fest, im Vergleich zu Schwangeren ohne Endometriose.

Hierbei wurde der Schwangerschaftsverlauf von 62 Patientinnen nach kompletter Resektion einer tief-infiltrierenden rectovaginalen Endometriose vor der Schwangerschaft mit dem von 186 Schwangeren ohne Endometriose verglichen. Peripartal kam es in der Endometriose-Gruppe zu einem höheren Blutverlust, was an der erhöhten Kaiserschnittrate liegen könnte. Vor allem Frauen nach einer Darmsegmentresektion mit Anastomose hatten ein höheres Risiko für einen Kaiserschnitt. Bei 60 % der Patientinnen mit präkonzeptioneller Resektion der tief­infiltrierenden Endometriose kam es zu einer erfolgreichen vaginalen Geburt (Nirgianakis et al. 2018).

In einer multizentrischen Beobachtungsstudie beschreiben Exacoustos und Forschungsteam ebenfalls eine höhere Rate an Plazenta praevia, Gestationshypertonie und Sectio caesarea bei Frauen mit einer tiefinfiltrierenden Endometriose des hinteren Kompartiments. Im Gegensatz zur Studie von Nirgianakis und Forschungsteam schloss man nur Patientinnen ein, bei denen die Endometrioseherde nicht vor der Schwangerschaft reseziert wurden. In der Endometriosegruppe kam es außerdem zu signifikant mehr Frühgeburten und vorzeitigen Plazentalösungen. Bei den Frauen mit einer Sectio wurden in der Endometriose-Gruppe höhere Raten an Blasenläsionen, Hysterektomien und Hämatoperitoneum aufgrund von Blutungen aus den Läsionen beobachtet (Exacoustos et al. 2016).

Eine weitere Studie untersucht den Effekt einer Resektion einer tiefinfiltrierenden Endometriose auf die Schwangerschaft. Retrospektiv wurden Patientinnen mit einer tiefinfiltrierenden Endometriose des hinteren Kompartiments mit und ohne präkonzeptionelle operative Entfernung verglichen. Zwischen beiden Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede. Die Gruppe ohne vorherige Endometrioseresektion wies eine höhere Rate an vaginal operativen Entbindungen und eine schwierigere Kindesentwicklung bei der Sectio caesarea auf (Thomin et al. 2018).

Eine 2017 veröffentlichte Studie aus Dänemark untersuchte Schwangerschaftskomplikationen von 11.000 Schwangeren mit und 615.000 ohne Endometriose, basierend auf Daten des dänischen Geburten- und Gesundheitsregisters. Endometriosepatientinnen wiesen ein höheres Risiko für eine schwere Präeklampsie, Blutungen in der Schwangerschaft, vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia, frühen vorzeitigen Blasensprung, Plazentaretention und Uterusruptur auf. Bei den Neugeborenen in der Endometriose-Gruppe kam es häufiger zu einer Frühgeburt, niedrigem Geburtsgewicht, kongenitalen Anomalien und perinatalem Tod (Berlac et al. 2017).

 

Betreuung und Geburtsmodus

 

Die Studien zeigen, dass Endometriose eine Gefahr für Schwangere und ihre Kinder darstellen kann. Es gibt jedoch noch keine klaren Richtlinien zur Betreuung und zum Geburtsmodus.

Um eine Gestationshypertonie, Präeklampsie oder intrauterine Wachstumsretardierung des Fetus frühzeitig zu entdecken, könnten engmaschigere klinische Kontrollen, Blutdruck- und sonografische Wachstumskontrollen bei Schwangeren mit Endometriose sinnvoll sein. Schmerzsymptome sollten nicht leichtfertig den typischen Schwangerschaftsbeschwerden zugeschrieben, sondern durch Ultraschall weiter abgeklärt werden. Bei unklarem Befund kann eine Magnetresonanztomografie (MRT) diskutiert werden. Allerdings können der gravide Uterus und die veränderte Anatomie während der Schwangerschaft die Beurteilung von Endometrioseläsionen trotz moderner bildgebender Verfahren erschweren (Navarro et al. 2020).

Während der Schwangerschaft steht die konservative Therapie bei Endometriosesymptomen im Vordergrund, auf eine operative Therapie sollte möglichst verzichtet werden. Starke therapieresistente, endometriosebedingte Schmerzen oder sonografisch suspekte Befunde rechtfertigen eine operative Abklärung.

Die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) empfiehlt, Schwangere mit Endometriose über mögliche Risiken bei der Geburt und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt aufzuklären. Frauen mit peritonealer Endometriose können eine vaginale Geburt anstreben. Bei Frauen mit einer tiefinfiltrierenden Endometriose, mit oder ohne Resektion in der Vorgeschichte, gibt es keine Kontraindikationen für eine vaginale Geburt. Es wird aber auch keine klare Empfehlung ausgesprochen, da die Datenlage kontrovers ist. Liegt eine Rektum­endometriose vor oder wurde diese vor der Schwangerschaft entfernt, sollte die Schwangere über das potenzielle Risiko einer Darmperforation bei vaginaler Geburt aufgeklärt werden.

Auch zum Geburtsmodus gibt es in der Leitlinie keine klaren Empfehlungen. Trotzdem sollte eine vaginale Geburt bei Endometriosepatientinnen bevorzugt werden, soweit es aus geburtshilflicher Sicht keine anderen Kontraindikationen gibt, da eine Sectio caesarea mit höheren intraoperativen Risiken einhergehen kann (AWMF 2020).

Endometriose ist eine häufige Erkrankung. In der Schwangerschaft kann sie zu schweren, wenn auch selten Komplikationen führen. Es gibt noch keine klaren Leitlinien zur Behandlung von Endometriose in der Schwangerschaft und zum Geburtsmodus, denn die genauen Zusammenhänge werden noch erforscht. Eine ausführliche Beratung der Schwangeren, engmaschige Kontrollen und erhöhte Aufmerksamkeit von Hebammen und Ärzt:innen sind geboten.

Rubrik: DHZ 05/2022

Literatur

Alberico D, Somigliana E, Bracco B, Dhouha D, Roberto A, Mosconi P et al.: Potential benefits of pregnancy on endometriosis symptoms. European Journal of Obstetrics and Gynecology and Reproductive Biology 2018. 1;230:182–7

AWMF: 015/045 – Diagnostik und Therapie der Endometriose. AWMF-Online 2020

Bafort C, Beebeejaun Y, Tomassetti C, Bosteels J, Duffy JMN: Laparoscopic surgery for endometriosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020
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