Ei.formen und Mutter.formen

  • Birgit Heimbach, Hebamme, Redakteurin und Illustratorin: »Die nächste Generation sollte darin unterstützt werden, die zeitliche Grenze ihrer Fruchtbarkeit nicht bis zum Ende auszureizen.«

  • »Dieses Weibchen ist etwa 30 Jahre alt und 35.000 Euro wert« …. »Nach der Entnahme der Luxusperlen werden die begehrten Eier gesiebt, gewaschen, drainiert und nach Größe, Farbe, Textur und Festigkeit klassifiziert, und in der Liste für den Verkauf notiert. Je größer das Ei, desto größer das Potenzial.« Dies sind Sätze aus Beiträgen über Kaviar, etwa aus der Reportage »Das Gold, das aus der Kälte kam« in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am vergangenen Heiligabend. Bizarr, dass man inzwischen Ähnliches liest, wenn es sich nicht um Eier vom Stör-Weibchen, sondern um menschliche Eizellen handelt. Letztere sind teure Handelsware geworden – allein schon wegen der komplizierten Gewinnung. Hochglanzbroschüren mit Preis-Tabellen verdeutlichen die Kosten. Noch teurer wird es, wenn auch eine Gebärmutter inklusive zugehöriger Frau gemietet werden muss. Der Markt dafür ist etabliert: Allein in den USA gibt es jährlich 4.000 Leihmutterschafts- und 18.000 Eizellspende-Behandlungen. Häufiger Geschäftsanlass: Die Paare sind zu alt, wenn sie Nachwuchs möchten.

    In der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers und der Reproduktion sehen viele Gefahren, etwa in der Ausbeutung der Ei- und Leihmütter. In Deutschland fordern dagegen einige Organisationen, das Verbot der Eizellspende abzuschaffen, so beispielsweise im vergangenen Sommer der Rat der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE): Aufgrund des Gleichheitsprinzips müsse die Eizellspende wie die Samenspende legitimiert sein – ohne Kommerz! Anders die Leihmutterschaft: Zu groß sei die Störung der pränatalen Bindung des Kindes, zu massiv die Ausbeutung und Instrumentalisierung von Frauen. Allerdings stößt auch hier das Komplettverbot auf Protest von seriöser Seite: VerfassungsrechtlerInnen meinen, der Gesetzgeber betreibe eher einen Tabu- als einen Rechtsgüterschutz. Grundsätzlich sei das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit zu schützen. Ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz wird gefordert.

    Der Verein »Spenderkinder« rückt eigene Wünsche in den Fokus. Mitglieder, wie die Künstlerin Kerstin Bruchhäuser, die in der Hamburger Ausstellung »Mutter.form« eine Textilarbeit zeigte, wehren sich etwa gegen die Anonymität der Spende (siehe Seite 90ff.).

    Die nächste Generation sollte darin unterstützt werden, die zeitliche Grenze ihrer Fruchtbarkeit nicht bis zum Ende auszureizen. Auch die Reproduktionsmedizin hält ihre biologische Uhr nicht an. Es ist eben nicht wie bei den Stör-Weibchen, bei denen der Kaviar immer hochwertiger wird, je älter sie werden. Beim Europäischen Stör-Weibchen ist die Produktion reifer Eier sogar erst im Alter von 55 auf dem Höhepunkt. Da befinden sich fast alle Frauen schon längst jenseits des natürlichen Mutterwerdens.