Geburtsvorbereitung ist ein Initiationsritual

  • Vor 800 Hebammen spricht Ende Juni eine Mutter auf dem Kongress der DHZ eindrucksvoll von der bitteren Erfahrung des Kaiserschnitts. Dieser wurde ihr beim ersten Kind angetragen, das Erlebnis hatte sie sehr geschwächt. Sie erzählt von dem langen Weg, den sie in der zweiten Schwangerschaft mit großem Mut und stetig wachsender Kraft gegangen ist – bis hin zur Erfüllung ihrer Vision einer Hausgeburt, die genauso verlaufen sei, wie sie es sich gewünscht hatte. Kraft gegeben haben ihr dabei zwei Hebammen, die uneingeschränkt an ihre Gebärfähigkeit glaubten, eine Ärztin, die ihrem Vorhaben nicht im Wege stand, und die Frauen aus ihrer Stillgruppe, die sie seit der Geburt ihres ersten Kindes regelmäßig getroffen hatte. Die Berichte der anderen Frauen hatten sie inspiriert, über eine Hausgeburt nachzudenken. Die Gruppe bestärkte sie und trug entscheidend dazu bei, dass sie immer mehr an ihre Kraft glaubte, ihre Vision umsetzen zu können.

    Ihre Erfahrung einer stärkenden und nährenden Gruppe, die ihr half, sich durch Widerstände nicht irritieren zu lassen, hat mich fasziniert. Das erinnert an die Not- und Hilfegemeinschaft der Frauen, die die Kulturwissenschaftlerin Yvonne Verdier 1982 in ihrem Buch „Drei Frauen. Das Leben auf dem Dorf" für dörfliche Gemeinschaften in den vergangenen Jahrhunderten in Europa beschreibt. Die Frauen des Dorfes kamen zusammen, um Feste zu feiern und Rituale durchzuführen – von der Taufe bis zur Beerdigung. Natürlich wurde dabei jede Menge an Informationen ausgetauscht – und dies Generationen übergreifend. Auch das Wissen um Schwangerschaft, Geburt und Mutterwerden gehörte selbstverständlich dazu.

    Heute, in der westlichen Welt mit völlig anderen Lebensrhythmen und Familienformen, brauchen Frauen andere Not- und Hilfegemeinschaften, insbesondere wenn sie Mutter werden. Hebammen können eine Menge dafür tun, indem sie Räume anbieten, die die Frauen von Anfang an entscheidend mitgestalten und irgendwann alleine weiterführen. Aus der Geburtsvorbereitung kann eine Stillgruppe entstehen, in der Stillgruppe kann ein gegenseitiges Coaching stattfinden. Das weite Spektrum von Erfahrungen, das Potenzial und die Kompetenzen, die hier zusammenkommen, bilden eine Kraftquelle, die auch noch so gute Hebammenbegleitung nicht ersetzen kann. Geburtsvorbereitungskurse sind Initiationsrituale, die Frauen und ihre PartnerInnen auf den Weg zur Elternschaft begleiten. Hebammen haben die Chance, den Schwangeren starke Bilder vom Gebären und ihrer Kraft zu vermitteln – körperlich, psychisch und spirituell. Sie haben das Potenzial zur Salutogenese.