Hebammen stärken Frauen - und umgekehrt

Kinder gebären und groß ziehen, ist die Grundbedingung für das Fortbestehen einer Gesellschaft. Dennoch wurde diese gesellschaftliche Basisarbeit der Frauen über die Jahrhunderte nicht wirklich anerkannt und gewürdigt. Weit verbreitet findet man hingegen in unserer Kulturgeschichte entweder eine Überhöhung der Mutter in der Rolle der Madonna oder der aufopfernden Mutter oder eine Abwertung, die das Muttersein nicht als „richtige“ Arbeit ansieht. Auch die frühe Frauenbewegung hatte Schwierigkeiten mit der Mutterrolle. Muttersein war nicht vorgesehen im Konzept der emanzipierten Frau, was sicher auch mit der Auseinandersetzung der Frauen mit ihren eigenen Müttern zu tun hatte. Sie wollten nicht so werden wie ihre Mütter und es gab keine Konzepte für neue Rollenmodelle. Viele Frauen verweigerte sich der Mutterrolle und versagten sich selbst den Wunsch nach einem Kind.

Heute wollen viele Frauen wieder Kinder bekommen und sie wollen berufstätig sein. Das ist auch gesellschaftlich so gewollt. Aber neue Konzepte, wie das wirklich gut gelingen kann, gibt es immer noch nicht. Das zeigt die weiter sinkende Geburtenrate in Deutschland. Der unglaubliche Spagat zwischen Kindererziehung, Karriere, Haushalt und Partnerschaft gelingt nur, wenn sehr gute Netzwerke oder ein ausreichendes finanzielles Polster da sind. Finanzielle Unterstützung ist wichtig, doch sie alleine reicht nicht, wie das Modell des Elterngeldes zeigt. Nur eine Gesellschaft, in der die Würdigung der Arbeit von Müttern ein zentraler Wert ist, stärkt Frauen so, dass Kinderhaben eine Selbstverständlichkeit im weiblichen Lebensentwurf sein kann. Das zeigt sich an der Bereitstellung von Ressourcen – an den Arbeitsplätzen, in qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung, im Wohnungsbau, in Schulen und Gemeinden.

Hebammen haben als Begleiterinnen der Frauen beim Übergang zum Mutterwerden eine zentrale Rolle. Mit ihrer achtsamen Unterstützung können sie in einer sensiblen Phase Türen öffnen und auch bei Schwierigkeiten von Anfang an Wege weisen. Hebammen wollen Frauen als Mütter stärken. Auch das ist gesellschaftlich gewollt. Wie aber kann das gelingen in einer Zeit, in der die Existenz der Hebamme selbst zur Disposition steht? Die Geschichte der Frauenbewegung zeigt, dass die gesellschaftliche Würdigung der Frauen als Mütter eng mit der Anerkennung der Hebammenarbeit zusammenhängt. Sie hat auch gezeigt, dass beide Gruppen miteinander und füreinander kämpfen müssen, damit sich etwas verändert. Hebammen stärken Mütter und Mütter stärken Hebammen. Ein starker Energiefluss zwischen Hebammen und Müttern, eine gemeinsame Bewegung von unten, ist die Grundlage für den Kampf um Ressourcen für beide Gruppen, das hat auch die große Unterstützung der Petition des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) gezeigt. In dieser Richtung müssen wir weitergehen, gemeinsam mit den Frauen: im Wochenbett, im Internet und im Bundestag. Denn: Die Potenziale der Frauen sind die Kompetenzen der Hebammen – und umgekehrt!