Hormone: stets im Dialog

  • Birgit Heimbach: „Hebammen können sich das neue Wissen über die so komplex wirkenden Hormone für eine salutogenetische Geburtshilfe nutzbar machen.“

  • Je komplexer ein Organismus ist, desto umfassender sind auch seine inneren und äußeren Kommunikationsmittel. Im Laufe der Evolution entstanden Nervenfasern, die Informationen innerhalb von Lebewesen wie auf einer Privatleitung zwischen zwei Orten hin- und herleiten konnten, etwa zwischen dem Gehirn und den verschiedenen Muskeln. Aber irgendwann wurde das Netz so komplex, dass ein Kabelsalat von inneren „Telefonleitungen" drohte. Ein verfeinertes System mit winzigen Botenstoffen entstand: das der Hormone. Sie sind das biologische Äquivalent zur drahtlosen Kommunikation per Handy: Hormone senden von verschiedenen Punkten im Körper ihre Signale aus. Sie verteilen sich meist mit Hilfe des Blutes und werden innerhalb kürzester Zeit von dem entsprechenden Empfänger mit dem passenden Rezeptor herausgefiltert – und das mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, Komplexität und Spezifität. Hormone und Rezeptoren bilden dabei einen steten biochemischen Dialog, in dem Informationen ständig ausgewertet werden.

    Über dieses komplexe Zusammenspiel von Hormonen und ihre Wirkung weiß man immer mehr. Hebammen sollten davon profitieren: Es würde ihnen helfen, die Körperzeichen, Gefühle und das Verhalten von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen deuten und gezielter einen physiologischen Verlauf unterstützen zu können. Die Hebamme und Dozentin Verena Schmid, die in Florenz eine Hebammenschule für physiologische Geburt gründete, hat die Bedeutung dieses Wissens erkannt. Sie vermittelt die neuen Erkenntnisse der Hormonlehre, der so genannten Endokrinologie. Sie lehrt Hebammen eine neue Art der Beobachtung, die sie als zirkuläre Bewertung bezeichnet. Gemeint ist damit eine individuelle Betreuung, die verschiedene Faktoren wie in einem Kreis zusammenbringt, um die endogenen Ressourcen der Frauen zu aktivieren. Schmid sieht ein gutes hormonelles Zusammenspiel auch als Basis für ein funktionierendes Zwiegespräch zwischen der Mutter und dem sich entwickelnden Kind.

    Der ausgeklügelte Austausch von Botschaften ist auch das Thema des chinesischen Künstlers Miquan Zhang im Kulturteil dieser Ausgabe. Sein Traumdialog: Altertum und Moderne sollten sich quer durch die Zeit mittels Super-Handy verständigen und dabei etwas Neues hervorbringen, ein neues menschliches Geschöpf mit neuem Gedankengut.

    Chinas Babys haben es als verwöhnte Einzelkinder der Ein-Kind-Politik derzeit nicht einfach. Ihr Hormondialog ist durch die Überernährung mit moderner Kost außerdem derart gestört, dass viele bereits mit acht Jahren geschlechtsreif sind. Man versucht nun gegenzusteuern mit dem Gonadotropin-Releasing-Hormon, einem Neurohormon. Ein Anruf beim chinesischen Ur-Weisen Konfuzius wäre nicht schlecht. Seine damals vielfach befolgte Maxime: „Der Edle strebt beim Essen nicht nach Sättigung."