Impfberatung: Mehr Spielraum für eigene Wege

  • Diskussionen über das Impfen werden oft äußerst emotional und kontrovers geführt – insbesondere unter medizinisch Vorgebildeten. Die Sichtweisen sind unterschiedlich. Das haben auch wir in der Redaktion bei der Vorbereitung dieser Ausgabe erlebt, als wir uns über die Artikel austauschten. Mehr als sonst waren wir darüber ganz verschiedener Meinung. Neben fundierter Fachinformation werden wir dieses Spektrum im Titelthema „Impfen“ aufzeigen.

    In Deutschland haben wir keinen Impfzwang. Das gibt Eltern Freiheit, aber auch Verantwortung. Die Impfentscheidung ist nach der Pränatalen Diagnostik die erste schwerwiegende medizinische Entscheidung, die Eltern für ihr Kind treffen müssen. Wir Hebammen wissen, wie schwer das vielen Eltern fällt. Schließlich müssen viele von uns diese Entscheidungen ja selbst für unsere Kinder treffen.

    Impfen ist ein Public-Health-Thema. Es geht um die Gesundheit aller Menschen in einer Gemeinschaft. Durch die Einführung bestimmter Impfstoffe und konsequentes Impfen konnten Krankheiten wie zum Beispiel die Pocken weltweit ausgerottet werden. Hinter der sogenannten Herdenimmunität liegt – ähnlich wie bei der Sozialversicherung – das Prinzip der Solidarität; die Idee, dass eine starke Gemeinschaft die schwächeren Mitglieder schützt. Der Unterschied ist, dass es hier um eine grenzüberschreitende Maßnahme geht, die die Integrität des eigenen Körpers betrifft.

    Unzweifelhaft haben Impfungen einen großen Nutzen, doch nicht alle gleichermaßen. Es gibt Impfungen, deren Vorteile durchaus zweifelhaft und deren Langzeitnutzen noch nicht bestimmt sind, wie beispielsweise die HPV-Impfung für Mädchen und junge Frauen. Eine Impfung kann – wenn auch in sehr seltenen Fällen – Schaden anrichten. Eine kritische und sachlich-prüfende Herangehensweise ist nötig, um dem Thema gerecht zu werden – für Hebammen ganz besonders, denn sie werden von den Eltern um Rat gefragt. Keinesfalls sollte die Diskussion um das Impfen moralisch werden. Statt Moral ist Kompetenz gefragt und bestes Wissen statt gut gemeinter Ratschläge.

    Für Eltern ist es hilfreich, wenn die Impffrage schon im Geburtsvorbereitungskurs angesprochen wird, so wie Frauke Lippens es in ihrem Artikel vorschlägt. Wichtig ist, dass die Hebamme sich hier jeder Wertung enthält. Sie sollte gute Fachinformationen bereithalten sowie Quellen, wo Eltern sich weiter informieren können. Vor allem aber ist es eine Aufgabe der Hebamme, den Eltern zu vermitteln, dass sie ausreichend kompetent sind, um diese Entscheidung zu treffen und zu tragen. Ähnlich wie bei der Pränataldiagnostik gibt es hier nicht die Entscheidung oder den richtigen Weg, der für alle passt.

    Doch im Unterschied dazu ist das Zeitfenster hier nicht so eng – und es gibt mehr Spielräume für eigene Wege.