Lustvoll und stressfrei

  • Das Gefühl, dass die Aufnahme von Nahrung lustvoll und genussreich ist, geht einem im Alltag mitunter verloren: Arbeit und Familienleben unter einen Hut zu bringen und gleichzeitig im Blick zu haben, wann der Wochenmarkt mit den regionalen Produkten seine Stände aufbaut, danach mit Spaß zu kochen, alle an den Familientisch zu rufen, um in gemütlicher Runde und Ruhe gemeinsam zu essen. Eine Illusion? Nein, eine Realität, die bisweilen neu mit Leben gefüllt werden muss. Dass Nahrungsaufnahme lustvoll sein kann, erleben Hebammen täglich bei ihrer Arbeit, wenn sie die Babys an der Brust ihrer Mutter beobachten und den genüsslich grunzenden, schmatzenden Geräuschen lauschen. Und auch Kindern, die mit der Flasche gefüttert werden, ist deutlich anzusehen, dass Essen etwas Schönes ist.
    Wie kann es gelingen, dass dieser Genuss beim Übergang von der Milch zur halbfesten oder festen Nahrung nicht verloren geht? Welche Rolle spielen Hebammen dabei? Häufig sind sie die ersten Ansprechpartnerinnen, wenn Eltern sich Gedanken darüber machen, wann ihr Baby die erste Beikost erhalten soll und was sie ihm dann geben können.
    Eltern auf dem aktuellen, wissenschaftlich begründeten Stand der Dinge zu informieren, sollte in der Beratung selbstverständlich sein. Darüber hinaus sind einerseits eine gute Struktur – wann informiere ich zu welchen Themen – als auch Kreativität gefragt: PowerPoint-Präsentationen im Kurs und auch beim Besuch zu Hause oder Breikochkurse mit und ohne Kochsession. Die Möglichkeiten, wie Eltern gesunde Ernährung nahe gebracht werden kann, sind zahlreich. Und sicherlich ist es sinnvoll, dieses wichtige – das weitere Leben der Familie prägende – Thema auf verschiedenen Ebenen zu transportieren. Letztlich ist es ein Gesundheitsthema, das bis ins spätere Leben entscheidend ist. Ein Thema, das so alt ist wie die Menschheit und doch immer wieder neue Erkenntnisse oder Trends bietet. So zum Beispiel die „Beikost nach Bedarf“ – eine vom Baby ausgehende Herangehensweise, die sicherlich nicht neu, aber zurzeit stark im Gespräch ist. Das „Lustvolle“ steht bei diesem Ansatz im Vordergrund: Das Baby wählt selbst am Familientisch aus, was es essen möchte. Fingerfood ist hier die Darreichungsform, die dem Bedürfnis des Kindes entgegenkommt zu greifen, zu fühlen, unterschiedliche Konsistenzen zu probieren. Ein für Beikost reifes Kind findet am Familientisch das, was es braucht, so der Ansatz des mit einem englischen Begriff bedachten „baby-led weaning“.
    Dass „Lust“ kein unwichtiger Aspekt ist, wenn es um Ernährung geht, zeigt sich in frühen Essstörungen, die schon in den ersten Lebenswochen des Babys auftreten können, gehäuft aber zum Ende des ersten Lebensjahres. Oft handelt es sich zu dem Zeitpunkt um eine gestörte Kommunikation zwischen Mutter und Kind. Hebammen sind hier in einer Schlüsselrolle, beide über die Stillbeziehung hinaus kompetent zu begleiten, zu beraten und zu bestärken.