Wer oder was prägt das Bild von Schwangerschaft?

  • Die frühe Schwangerschaft ist eine labile und eine sehr innerliche Phase. Es ist die Zeit der großen Umstellungen, der intensiven, ganz unterschiedlichen Empfindungen und der Suche nach Orientierung. Freude, Unsicherheit und Angst wechseln sich ab. Viele Frauen wollen jetzt noch nicht öffentlich über ihre Schwangerschaft sprechen. Zu fragil und unsicher ist dieser neue Zustand. „Es“ soll noch eine Weile ein Geheimnis bleiben. Gleichzeitig besteht gerade jetzt und besonders beim ersten Kind ein großer Bedarf, über dieses bewegende Geschehen zu sprechen. Deshalb suchen die Frauen – so wie sie es kennen – die medizinische Begleitung, kaum dass der Schwangerschaftstest positiv ist. Von ihren BegleiterInnen werden sie dann in den neuen sozialen Status eingeführt. Sie werden über Vorsichtsmaßnahmen unterrichtet und erhalten Verhaltensregeln. Das vermittelt ihnen Sicherheit.
    Die Art und Weise, wie eine Frau in diese neue Rolle eingeführt wird, hat entscheidende Bedeutung für ihr eigenes Bild vom Schwangersein. Letztlich geht es um die Frage, welcher kulturelle Entwurf der Schwangerschaft hier übermittelt wird. Denn bei dieser Initiation werden ja nicht nur Wissen und Informationen weitergegeben, sondern auch Körperkonzepte und Bilder vom Frauenkörper und seiner reproduktiven Fähigkeit. Dies geschieht nicht nur über die Worte, sondern vor allem über die innere Haltung der Begleitenden.
    Auch über die Medien werden Bilder und Konzepte übermittelt. „Eine Schwangerschaft ist etwas ganz Natürliches und ein gesunder Prozess“, viele Informationsbroschüren beginnen in diesem Tenor. Daran anschließend folgen dann allerdings zahlreiche Regeln, verunsichernde Informationen und die Frau erfährt, dass sie eine ganze Reihe von Entscheidungen treffen muss. Welche Botschaften, Rollenmodelle und Erwartungen werden hier tatsächlich vermittelt? Welche Wirkungen hat das auf die eigenen Bilder vom Schwangergehen und Gebären? Und welche Rolle spielen die Hebammen für die Sozialisation der Schwangeren?
    Die Begleitung in der frühen Schwangerschaft sollte uns besonders am Herzen liegen! Wir sollten die Frauen hier nicht alleine lassen. Das ist besonders wichtig für diejenigen, deren Schwangerschaft belastet ist durch eine Grunderkrankung, durch psychische oder soziale Probleme. Eine intensive Hebammenbegleitung in der Frühschwangerschaft bedeutet nicht nur das individuelle, sondern auch das gesellschaftliche Bild der Schwangerschaft entscheidend mitzuprägen. Gemeinsam mit der Frau die Weichen stellen und ihr vermitteln, dass sie selbst hier die wichtigste Person und Expertin ist, ist eine der nachhaltigsten Aufgaben von Hebammen. Wir sollten uns diese Chance nicht nehmen lassen!