Präparationskurs im Studium

Ohne Trauma sezieren

  • 20 Prozent der Studierenden gehen mit Angst in den Anatomiekurs. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Tod könnte hilfreich sein.

  • Ähnlich wie HebammenstudentInnen sind auch MedizinstudentInnen irgendwann mit ihrem ersten toten Menschen konfrontiert. Für die meisten geschieht das im Anatomiesaal beim Präparationskurs. Der Leichnam ist bereits in Formalin eingelegt und trotzdem ist klar, dass dieser Mensch einmal gelebt hat, Gefühle und eine Familie hatte.

    Studien zeigen, dass 20 Prozent der Studierenden mit Angst in den Anatomiekurs gehen, 62 Prozent geben emotionalem Stress an – und die Bereitschaft zur Körperspende sinkt nach einem Kurs. Bei 81,4 Prozent der Befragten trug der Sektionskurs zu einer gewissen emotionalen Abstumpfung bei. Prof. Friedemann Nauck, Palliativmediziner, vermutet, dass die Sektion dennoch von einem gewissen Teil der Studierenden als traumatisch erlebt wurde.

    Er bestätigt, dass viele Studierende den Tod als ständigen Begleiter eines Arztes nicht auf dem Schirm hätten. Deswegen bietet er an der Universität Göttingen das Seminar „Tod und Sterben – eine Reflexion im Anatomiekurs“ vor dem ersten Präparationskurs an. Zu den Fragen, die dort behandelt werden, gehören: "Was ist der Tod? Wie ist das Todesverständnis in verschiedenen Kulturen und Altersgruppen? Was ist der Unterschied zwischen Sympathie und Empathie mit einem Kranken oder Sterbenden? Wo lindert Mitgefühl, wo hindert es? Was bedeutet Respekt und Würde über das Lebensende hinaus? Was ist die richtige Haltung als Arzt?"

    Bisher wurde noch kein goldener Weg gefunden, Medizinstudierende völlig ohne Trauma durch den Anatomiekurs und das Studium zu begleiten. Aber die Möglichkeit, vor dem Kurs über Sterben und Tod zu reflektieren, ermöglicht Studierenden einen anderen Zugang. Die begleitende Forschung zeigt, dass dieser Teil des Studiums besonderer Unterstützung bedarf und dass Kommunikation, Erfahrungen, Gefühle sowie Einstellungen von Medizinstudierenden beeinflusst werden.

    Anmerkung: Auch Hebammenstudentinnen fühlen sich häufig durch Erlebnisse während der Ausbildung traumatisiert. Hier bedarf es ebensolcher Überlegungen und Forschung.

    (Alt-Epping B et al.: On death and dying – an exploratory and evaluative study of a reflective, interdisciplinary course element in undergraduate anatomy teaching. BMC Medical Education 2014;14:15:5-7. http://bmcmededuc.biomedcentral.com/articles/10.1186/1472-6920-14-15/DHZ)

    Rubrik: Aus- und Weiterbildung

    Erscheinungsdatum: 13.03.2017