Traumhafte Visionen

Heute Nacht habe ich geträumt, ein Kind zu gebären. Die Umstände waren bedrohlich; erst lief ich durch einen dunklen Wald, wich finsteren Gestalten aus und kam schließlich in einem Gebäude an. Es muss ein Krankenhaus gewesen sein, denn als ich hineinging, kam ich in einen hellen Raum mit weißen Wänden und einer Matratze auf dem Boden. Es gab zwei Männer in Weiß, die um mich herumstanden, selbstsicher und groß gewachsen, was mich nicht wirklich beruhigte. Ich spürte, dass mein Kind sehr bald geboren werden würde.

Endlich fühlte ich, wie sich ein mächtiges Köpfchen durch meinen Beckenboden in Richtung Vulva schob. Ich nahm beide Hände, um es zu berühren und zu bremsen. Das Köpfchen hatte eine feuchte, rosige Haut und es drückte stark nach unten. Ich ließ es langsam tiefertreten. Einer der Ärzte näherte sich mir und wollte eingreifen, aber ich herrschte ihn an: »Finger weg!« Erschrocken wich er zurück. Ich ließ langsam den Kopf des Kindes hinaus, dann ganz langsam den Körper. Es geschah schmerzfrei und es war faszinierend anzusehen, wie sein halber Körper noch in mir war, warm und weich, während das Kind bereits die Augen öffnete, mich anschaute und den ersten Atemzug nahm.

Als es geboren war und in meinem Arm lag, kam der Arzt erneut auf mich zu, mit einer großen Episiotomie-Schere in der Hand. Entschlossen riss ich ihm die Schere aus der Hand, die sich in eine Machete verwandelte. Damit drohte ich ihm: »Wenn du mich anrührst, bringe ich dich um.« Ich fühlte mich unsagbar stark. Der Arzt trollte sich endgültig davon.

Zwei Dinge hat mir dieser Traum vor Augen geführt, die mich mein ganzes Frauen- und Hebammenleben bewegen. Erstens: Ich bin stark und mutig und ich will aus eigener Kraft die Dinge tun, die mich, meinen Körper und mein Leben betreffen! Zweitens: Ich weigere mich, mich klein zu machen und falsche Dinge mit mir machen zu lassen.

Oder, um es mit den »Missfits« zu sagen, die als weibliches Kabarettduo viele gute Sprüche rausgehauen haben: »Wennze weiß, watte wills, musse machen, datte hinkomms«. Genau.

Rubrik: Immer in der DHZ | DHZ 07/2022

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