Was zählt, ist nicht die Position
Mit der Einführung hebammengeleiteter Kreißsäle ist es mancherorts dazu gekommen, dass die anderen Geburten im üblichen Kreißsaal nun »ärztlich geleitete Geburten« genannt werden. Das stimmt insoweit, wenn damit die letzte Verantwortung und Weisungsbefugnis gemeint ist, weckt aber zugleich falsche Vorstellungen. Denn es sind ja bei den physiologischen Geburten weiterhin Hebammen, die den größten Teil der Zeit mit den Gebärenden verbringen, deren Geburtsverlauf sie beobachten und die sie begleiten.
Oft sind Ärzt:innen nur sporadisch oder nur in den letzten Minuten zur Geburt des Kindes anwesend. Und wenn die Hebamme über viel mehr Wissen und Erfahrung verfügt als die junge unerfahrene Assistenzärztin, ist das auch mit der Haftung nicht mehr so eindeutig.
Außerdem führt dieser Ausdruck bei manchen ärztlichen Kolleg:innen noch mehr dazu, die komplette Leitung an sich zu ziehen, sobald sie den Gebärraum betreten. Was schon vorher ärgerlich war – wenn sie ohne vernünftigen Grund zum Pressen anleiten oder die Frau zu einer anderen Gebärposition auffordern, als die Frau sich ausgesucht hat – kann die Hebamme diese Einmischung nun kaum noch stoppen, denn dann heißt es: »Ich entscheide, denn dies ist eine ärztlich geleitete Geburt«.
So kann eine gute Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen nicht gelingen. Hebammen sollten klarstellen: Physiologische Geburten sind keine »ärztlich geleiteten Geburten«, sondern finden nur in einem »Kreißsaal unter ärztlicher Leitung« statt. Die Entscheidungsmacht bei der physiologischen Geburt teilt sich zwischen der Gebärenden, der Hebamme und der Ärztin oder dem Arzt auf. Sie sind gleichberechtigte Partner:innen. Es zählt nicht, wer die mächtigste Position innehat, sondern wie Hebamme und Ärztin die Situation einschätzen, was Mutter und Kind brauchen und wie deren Bedürfnisse und die Wünsche – an die geburtshilfliche Situation angepasst – am besten umgesetzt werden können.
Dann nämlich steht die Frau im Mittelpunkt.
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