Kolumne

Ein Koffer voll Oxytocin

Berlin – Hannover. Ich sitze in der Bahn und komme mit einem Ehepaar ins Gespräch. »Ah, Hebamme sind Sie!«. Das anerkennende Lächeln geht über in die minutiös erzählte Geschichte der Geburt ihrer Tochter, die im nächsten Monat Abitur macht. Wann ich diese Begegnung hatte? Das war nicht heute. Das war gestern. Und gestern war das regelmäßig. Wenn ich heute die Frage nach meinem Beruf beantworte, verzichtet der Taxifahrer mit mitleidigem Blick nicht nur aufs Trinkgeld, er rundet ab. Was ist da passiert? Alle wissen es: Den Hebammen geht es schlecht. Kein Geld. Die hohe Versicherungsprämie …

Ganz klar, ich ziehe den Hut vor uns: Wir haben unsere Sorgen mit viel Engagement öffentlich gemacht. Wir haben viel Aufmerksamkeit und Unterstützungswillen aus allen politischen und gesellschaftlichen Richtungen erfahren. Die Botschaft ist angekommen. Aber: Könnte es sein, dass es Zeit wird, die Strategie zu ändern? Dass wir konstruktiv und optimistisch in die Zukunft gehen sollten?

Lasst es uns gemeinsam schaffen, unsere eigenen Hebammen zu sein: Mut machen, Vertrauen schaffen, offen an die Dinge herangehen, Herausforderungen annehmen, an die eigene Kraft glauben, Verbündete suchen. Ist es nicht das, was wir Hebammen können? Was wir den Frauen täglich sagen?

Ich bin überzeugt, dass die Zeit dafür gekommen ist. Ich sehe immer noch leuchtende Augen bei den werdenden Hebammen – nicht immer, aber manchmal. Und Hebammen in der Fortbildung, die ihren Beruf lieben – Frauen voller Oxytocin, das sie großzügig für »ihre« Frauen ausschütten. Und ÄrztInnen, die gern und wertschätzend mit uns arbeiten – nicht alle, aber so viele, um einen Anfang zu machen. Und die Frauen, die uns brauchen. Wir können ihnen vorleben, wie Mut, Vertrauen, Kraft, Geduld, Durchhaltevermögen und Solidarität geht. Gehen wir es an, gemeinsam. Yes, we can.

Rubrik: Immer in der DHZ | DHZ 09/2017

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