Biete Kind, kaufe Haus

Wie weit gehen Medizin und Gesetz, um wohlhabenden Menschen einen Kinderwunsch zu erfüllen? Ethische Bedenken kommen im internationalen Geschäft mit der Leihmutterschaft bisher kaum vor. Eine Kritik am globalen Kinderhandel über die Reproduktionsmedizin. Eva Maria Bachinger
  • » ›Altruistische Leihmutterschaft‹ ist zum Beispiel in Großbritannien und Griechenland erlaubt. Das Gesetz sieht eine ›angemessene Aufwandsentschädigung‹ vor. Das können in Großbritannien bis zu 18.000 Euro sein. «

Wenn ein Paar mit einer Frau eine Leihmutterschaft ausmacht, wer bin ich, um dagegen zu sein?«, sagt eine Psychologin, die in Deutschland Kinderwunschpaare berät. Verbote würden die Kommerzialisierung nicht ändern, meint sie. Und überhaupt, wer habe das Recht, dem Familienglück im Wege zu stehen? Private Vereinbarungen zwischen einem Paar und einer Frau, die genetisch die Mutter ist, aber das Kind für das Paar austrägt, sind gesetzlich nicht verboten. Solche Abmachungen kann man schwer unterbinden. In einer offenen Adoption kann das Kind dann an die Wunscheltern weitergereicht werden – allerdings nur mit Prüfung und Zustimmung der Behörde. Kompliziert wird es jedenfalls, wenn die Leihmutter nicht die genetische Mutter ist, sondern den Embryo der Wunscheltern austragen soll oder zusätzlich eine Eizellspenderin gebraucht wird. In diesem Fall müssen JuristInnen die Verträge aushandeln. Und ÄrztInnen kommen ins Spiel, die die künstliche Befruchtung durchführen. Dieser Vorgang ist in vielen Staaten – noch – verboten.

 

Erlaubt mit Einschränkungen

 

Gesetzlich erlaubt ist die Leihmutterschaft unter anderem in Belgien, Spanien, den Niederlanden, den USA, Südafrika, Ukraine, Russland, Israel, Griechenland und Großbritannien. Allerdings unter sehr unterschiedlichen Bedingungen: In manchen Ländern ist es verboten, Leihmütter zu werben. Manche Gesetzgebungen sehen vor, dass das Kind nach der Geburt adoptiert werden muss. In manchen Ländern werden Leihmütterverträge nichtig, wenn die austragende Frau das geborene Kind behalten will. Die konkrete Anzahl von Fällen kann weder international noch in einzelnen Ländern angegeben werden, es gibt meistens nur Schätzungen.

 

Nüchterne Geschäftsbeziehungen?

 

Leider liegen kaum offizielle Statistiken über Leihmutterschaft vor, aber Recherchen ergeben den Eindruck: Private, rein selbstlose Vereinbarungen, die auf Vertrauen basieren und ohne Geldflüsse geschehen, sind Einzelfälle. Der Großteil sind nüchterne Geschäftsbeziehungen zwischen wohlhabenden Wunscheltern und weniger wohlhabenden Leihmüttern.

Viele BefürworterInnen wie die Publizistin Cécile Calla behaupten, dass KritikerInnen nur Skandalfälle propagierten, um zu beweisen, wie dekadent und ausbeuterisch Leihmutterschaft sei. So schreibt sie unter dem Titel »Kinderkriegenlassen ist okay« in der Wochenzeitschrift Die Zeit am 20. 2. 2017. Dass es 2014 in Thailand ein Baby namens Grammy gab, das von seinen australischen Auftragseltern bei der Leihmutter zurückgelassen wurde, weil es das Down-Syndrom hat, ist in dieser Lesart nur ein tragischer Einzelfall und spricht insgesamt nicht gegen eine »weitere Möglichkeit der Reproduktionsmedizin, die mit einer Vielfalt an Erfahrungen einhergeht«.

Interessanterweise wird von liberalen und linksorientierten BefürworterInnen sogar die Bibel bemüht, die zeige, dass Leihmutterschaft ja seit jeher praktiziert – und damit offenbar legitimiert werde: Sara war ungewollt kinderlos und hat Hagar zu Abraham geschickt, um ein Kind zu empfangen und zu gebären. Dass es sich hier um eine Sklavin handelte und es keinen Arzt gab, der bei der Befruchtung mithalf, sondern dass letztlich Polygamie vorliegt, scheint keiner Rede wert zu sein.

 

Der Frauenkörper wird kommerzialisiert

 

Nun empfinden sich heutige Leihmütter nicht nur als Unterlegene oder Ausgebeutete. Das zeigen Berichte aus Israel und den USA, wie die Ethnologin Anika König beim ersten internationalen Kolloquium über Leihmutterschaft (https://colloque-gpa-paris-2016.site.ined.fr/en/) im November 2016 in Paris darlegte oder die Expertin Elly Teman in ihrem Buch »Birthing a Mother« (Teman 2010). Doch viele haben sich schlichtweg einem kapitalistischen System angepasst und machen alles zur Ware, was ihr Körper hergibt: Eizellen und eben auch die Gebärmutter.

Der Frauenkörper wird durch und durch kommerzialisiert. Dann ist es auch möglich, von »Reproduktionsarbeit« und »Dienstleistung« zu sprechen. Das »Produkt« dieser »Arbeit« ist das Kind.

Die 28-jährige Natalia (Name und Alter geändert) hat in Moskau für eine 36-jährige Frau ein Kind ausgetragen (Bachinger 2016). Nüchtern und klar erklärte sie: »Ich bekomme eine Million Rubel nach der Geburt. Wir wollen uns dann ein Haus kaufen.« Anders hätten sie und ihr Mann keine Chance, so schnell zu viel Geld zu kommen. Auf die Frage, was sie tut, wenn sich das Kind später bei ihr meldet, meinte sie: »Das gehört ins Reich der Fantasie. Die Eltern werden dem Kind niemals sagen, wie es zustande kam, deshalb setze ich mich nicht mit dem Gedanken auseinander.«

Der Leihmutterschaftsvertrag sei sehr einfach und pauschal. »Mir ist vor allem wichtig, dass die Summe drinsteht, die ich am Ende bekomme.« Behinderung würde durch pränatale Tests »ausgeschlossen«. Auch Geschlechterselektion werde durchgeführt.

Die Beziehung zum Kind sei genau gleich wie bei der Schwangerschaft ihres eigenen Kindes. »Ich bin nur das Gefäß für dieses Kind.« Wenn alles vorbei ist, sei sie nur froh, in den Zug steigen und wegfahren zu können. Für die Dauer der Schwangerschaft waren sie und ihr Ehemann in einer Wohnung der Klinik untergebracht und sie konnte in dieser Zeit ihr eigenes Kind nicht sehen – schließlich müsse alles vor der Familie geheim gehalten werden.

 

Altruistisch, aber gegen Aufwandsentschädigung

 

Obwohl kommerzieller Handel mit Menschen, Organen, Keimzellen und so weiter verboten ist, floriert er. In der EU ist Leihmutterschaft nicht überall verboten. Viele Staaten wie Tschechien, Ungarn oder Rumänien haben keine speziellen Gesetze, was Vieles im Graubereich ermöglicht. »Altruistische Leihmutterschaft« ist zum Beispiel in Großbritannien und Griechenland erlaubt. Das Gesetz sieht eine »angemessene Aufwandsentschädigung« vor. Das können in Großbritannien bis zu 18.000 Euro sein.

Doch im Grunde kann man nur dann von Selbstlosigkeit sprechen, wenn ich etwa meiner kranken Schwester meine Niere spende und natürlich kein Geld dafür von ihr will, auch keine »Aufwandsentschädigung«.

Die Frage ist: Will ich anderen wirklich helfen, habe ich einen persönlichen Bezug zu der Person oder ist das entscheidende Motiv das Geld? Damit dieses Motiv vorrangig wird, ist meist eine soziale Notlage der Grund. Wenn man buchstäblich mit einem Bündel Geld vor der Nase von Frauen wedelt, die sich Sorgen machen müssen, wie sie Essen und Schule für ihre Kinder zahlen sollen, ist es geradezu zynisch, hier von »Selbstlosigkeit« zu sprechen. Doch just in diesem Bereich, der in den vergangenen Jahren global eine ungeahnte Kommerzialisierung erfahren hat, ist genau davon so oft die Rede. Ist unser Frauenbild also so, dass sich Frauen sowieso gerne für andere aufopfern?

 

Ethische Überlegungen werden ausgeblendet

 

Die Realität ist, dass sich die allermeisten Leihmütter sozial und finanziell in einer angespannten Situation befinden und für die Leihmutterschaft bezahlt werden, sofern sie ein gesundes Kind »liefern«. Am meisten verdienen allerdings immer noch die Vermittlungsagenturen und die Kliniken. Diese Tatsache darf allerdings in der Regel nicht offen kommuniziert werden, um den »Besteller-Familien« kein schlechtes Gewissen zu machen und letztlich den Profit der Kliniken zu sichern.

ÄrztInnen und auch Paare haben in den Gesprächen für das Buch »Kind auf Bestellung« hingegen oft von einer »Win-win-Situation« für alle Beteiligten gesprochen (Bachinger 2016). Was dieser Befund vor allem erneut verrät: Wie ökonomisch die Sprache mittlerweile in dem Bereich ist, wie sehr es um Nutzen und um Gewinn geht. Wie langfristig dieser Gewinn für die Leihmutter tatsächlich ist und ob es bei einem Kind überhaupt um Geld und Nutzen gehen darf – diese ethischen Überlegungen werden ausgeblendet.

Für die Auftragseltern ist der Weg bis zur Entscheidung, eine Leihmutterschaft in Anspruch zu nehmen, natürlich oft ein langer und schmerzlicher Prozess, häufig nach vielen Jahren der gescheiterten IVF-Versuche. Sie wollen sich mit Zweifeln und Bedenken nicht lange auseinandersetzen, um ihren Wunschtraum nicht loslassen zu müssen. Für homosexuelle Paare hingegen ist der Weg direkter. In Gesprächen kommt oft klar »ein Recht auf ein Kind« zur Sprache. Einwände seien homophob oder zumindest diskriminierend.

 

Per »Flatrate« zum Wunschkind

 

Dass es offenbar nicht gleichberechtigt um das Wohl der Leihmutter geht, zeigen die gutgehenden Geschäfte der Kliniken in ärmeren Ländern, wo trotz liberaler Gesetze in der Heimat AmerikanerInnen, BritInnen und Israelis als Wunscheltern vorstellig werden. Es kommt zu »Engpässen« in den wohlhabenden Ländern, da es dort nicht so viele »selbstlose« Leihmütter gibt. Wir sind als KonsumentInnen gewohnt, stets das billigste Angebot zu suchen. Und das findet man in ärmeren Ländern, egal zu welchen Bedingungen. In den USA kostet ein Verfahren mehr als 100.000 Euro, in Russland ist ein »All-inclusive package« für 60.000 Euro zu haben, in Mexiko oder Indien für rund 30.000 Euro. Dass also mit liberaler Gesetzgebung der »Reproduktionstourismus« eingedämmt werde, wie oft behauptet wird, ist naiv angesichts einer globalisierten Welt.

Es werden beispielsweise auch »Flatrate-Programme« mit »100 Prozent Babygarantie« angeboten. Die Wunscheltern können für eine bestimmte pauschale Summe mehrere Leihmütter und Eizellspenderinnen gebrauchen, bis eine Schwangerschaft eintritt und auch bleibt. Das bedeutet, dass die Leihmutter mehrmals intensiv hormonell stimuliert werden muss, um die Einnistung in der Gebärmutter zu begünstigen. Sie muss Fehlversuche und Fehlgeburten hinnehmen, Abbrüche. Ein interviewtes Paar hatte der ersten Leihmutter 15 Versuche zugemutet, die zweite wurde dann endlich schwanger. Die erste Leihmutter bekam dann wie selbstverständlich kein Geld.

 

Medizinisch und psychisch unter Druck

 

Ein fremdes Kind auszutragen, stellt für die gebärende Frau einen tiefgreifenden Eingriff dar, sowohl medizinisch als auch psychologisch. Obwohl es sich bei Leihmüttern immer um Risiko-Schwangerschaften handelt, liegen kaum Studien über die kurz- und langfristigen psychischen und körperlichen Folgen vor. Offenbar weil die künstliche Befruchtung mit völlig körperfremden Keimbahnzellen durchgeführt wird, müssen die Frauen gehäuft Fehlgeburten verkraften. Sie müssen das »Fremde« in sich annehmen, gleichzeitig sollen sie aber auf Distanz zum Kind bleiben. Werte, die uns sonst wichtig sind, wie der Beziehungsaufbau zwischen Mutter und Kind, werden außer Kraft gesetzt.

Die Leihmütter stehen unter Druck, nur ein »gesundes« Kind zur Welt bringen zu dürfen. Über einen Abbruch etwa eines behinderten Kindes entscheidet nicht selbstbestimmt die schwangere Frau– wie mühsam von der Frauenbewegung erstritten, sondern ÄrztInnen und die Wunscheltern.

In Verträgen in den USA wird der Leihmutter alles genau vorgeschrieben: regelmäßige Kontrollen, gesund essen, keine schweren Dinge heben – inklusive Kinder – keine Reisen, anfangs kein Geschlechtsverkehr und so weiter. Auch über den Geburtsverlauf kann die Leihmutter nicht selbst entscheiden, häufig wird standardmäßig ein Kaiserschnitt durchgeführt, weil es risikoärmer sei, und weil man glaubt, durch einen schnellen Schnitt unter Betäubung die Bindung zum Kind zu verunmöglichen. Sie ist auch deshalb nicht autonom, weil sie ohne künstliche Befruchtung diese »Dienstleistung« nicht anbieten kann, außer sie will auch die genetische Mutter sein.

 

Mit der Geburt bricht die Beziehung ab

 

Über die Folgen bei Kindern nach Leihmutterschaft liegen kaum valide Untersuchungen vor. Jene Langzeitstudien der von BefürworterInnen gerne zitierten Psychologin Susan Golombok zeigen zwar bisher eher positive Ergebnisse. Allerdings sind die Kinder noch nicht erwachsen, das Sample mit 40 schwulen Paaren ist klein und fußt auf freiwilligen Befragungen.

Inzwischen gibt es aber zahlreiche Studien über die Wichtigkeit der pränatalen Lebensphase und der Bindung zwischen der schwangeren Frau und dem Ungeborenen. Diese Studien werden im Kontext der Leihmutterschaft allerdings nicht erwähnt. Oder es wird behauptet, dass eine Distanzierung zwischen der austragenden Mutter und dem Ungeborenen möglich sei.

Im Falle der Leihmutterschaft bedeutet die Geburt aber auf jeden Fall einen Beziehungsabbruch, dessen Auswirkungen für die Entwicklung der Kinder kaum abschätzbar sind. »Die moderne Epigenetik macht deutlich, dass die austragende Mutter einen ganz wesentlichen Einfluss auf das Werden und das weitere Leben des Kindes hat – unabhängig von der in der DNA festgelegten Erbinformation«, wie der pensionierte österreichische Neonatologe Dr. med. Georg Simbruner ausführt. Im Fall der Leihmutter hat auch sie damit einen Anteil an der Elternschaft und Herkunft des Kindes.

 

Risiken für Frauen und Kinder

 

Der mit Leihmutterschaft verbundene medizinische Prozess ist riskant für die Leihmutter, die junge Frau, die ihre Eier verkauft und die Kinder, die mit Hilfe von Reproduktionstechnologien zur Welt kommen. Die Risiken für Frauen sind

  • ein Ovar-Hyper-Stimulations-Syndrom (OHSS)
  • Ovarverkrümmung
  • Zysten in der Gebärmutter
  • chronische Beckenschmerzen
  • verfrühte Menopause
  • Verlust von Fruchtbarkeit
  • Krebs in den Reproduktionsorganen
  • Blutgerinnsel
  • Nierenversagen
  • Schlaganfall
  • in einigen Fällen der Tod.

Frauen, die mit den Eiern einer anderen Frau schwanger werden, haben ein erhöhtes Risiko für einen Präeklampsie (Schwangerschaftsintoxikation) und hohen Blutdruck. Kinder, die mit Hilfe von Reproduktionstechnologien gezeugt werden, wie sie bei Leihmutterschaft üblicherweise verwendet werden, sind höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Diese beinhalten

  • Frühgeburt
  • Totgeburt
  • geringes Geburtsgewicht
  • fötale Anomalien
  • höheren Blutdruck.

Eine Leihmutterschaft unterdrückt absichtlich das Bonding. Wenn die biologische Verbindung zwischen Mutter und Kind verhindert wird, hat das andauernde Auswirkung für beide. > www.stopsurrogacynow.com

 

Niemand hat ein Recht auf ein Kind

 

Paare mit unerfülltem Kinderwunsch leiden. Man kann deshalb aus Gleichheits- und Freiheitsgründen über eine Freigabe der Leihmutterschaft diskutieren. Nur: Um welche Freiheit geht es in erster Linie? Trotz der spärlichen Informationen über die Auswirkungen der Leihmutterschaft gibt es massive Lobbyarbeit von Seiten der BefürworterInnen, nicht selten sind sie auch jene Personen, die selbst damit gutes Geld verdienen. Insofern ist es mehr als fragwürdig, ob auf diesem Markt die Rechte einer Leihmutter verbessert werden können. Denn sind Paare und auch VermittlerInnen sowie ÄrztInnen wirklich dazu bereit, den Verlauf der Schwangerschaft und der Geburt autonom von der Schwangeren bestimmen zu lassen?

Der Slogan »Recht auf ein Kind« wird inflationär eingesetzt, um vermeintliche Menschenrechte durchzusetzen. In der Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Familien- und Privatleben festgehalten, doch daraus lässt sich kein absolutes Recht ableiten. Auch wenn der Wunsch nach einem Kind legitim ist, kann es kein individuelles Recht auf ein Kind geben. Richtig ist: Kein Mensch darf daran gehindert werden, eine Familie zu gründen, dies halten die internationalen Menschenrechte fest. Aus diesem »Abwehrrecht« folgt jedoch nicht im Umkehrschluss ein »Anspruchsrecht«, weder auf einen Partner noch auf ein Kind.

 

Menschenrechte sind abzuwägen

 

Zudem gelten die wenigsten Menschenrechte absolut, so auch nicht das Recht auf Familiengründung, sondern sind immer mit Rechten anderer Schutzwürdiger abzuwägen. In diesem Fall vor allem mit den Rechten von Kindern und Frauen. Die Kinderrechtskonvention, die von den meisten Staaten der Erde – mit Ausnahme der USA – anerkannt ist, zeigt der Reproduktionsmedizin die nötigen rechtlichen Grenzen auf. Dazu gehören etwa ein globales Verbot von anonymen Keimzellenspenden (Artikel 7: Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Eltern) und Leihmutterschaft (Artikel 35: Recht des Kindes, nicht gegen Geld gehandelt zu werden).

Die Praxis der Leihmutterschaft führt aber zu Kinderhandel. Denn eine Leihmutter bekommt ihr Geld in den meisten Fällen erst dann, wenn sie ein – gesundes – Kind »liefert«, und nicht für die Schwangerschaft an sich, geschweige denn für die Versuche, überhaupt schwanger zu werden.

Die Kinderrechtskonvention und auch die Menschenrechtskonvention garantieren das Recht auf Wissen um die eigene Herkunft und Identität. Leihmutterschaft basiert aber in den allermeisten Fällen auf anonymen Daten. Es gibt weder nationalstaatlich, noch europaweit und schon gar nicht weltweit Datenbanken und Register, durch die Kinder ihre biologische Herkunft herausfinden können. Das gelingt bisher noch nicht einmal bei der simplen Samenspende. Ihr Recht auf Kenntnis ihrer Herkunft wird den Kindern daher systematisch verweigert zugunsten des Kinderwunsches von Paaren sowie des Anspruchs auf Anonymität der Spender, die sich vor etwaigen Ansprüchen monetärer oder sozialer Natur der leiblichen Kinder schützen wollen. Allein aufgrund dieser ethischen Normen der Kinderrechtskonvention sollten BeraterInnen Kinderwunschpaaren von der Leihmutterschaft abraten, seien sie ÄrztInnen, PsychologInnen oder Hebammen.

 

AktivistInnen fordern eine öffentliche Debatte

 

In Österreich und in Deutschland gibt es hetero- und homosexuelle Paare, die ein oder auch mehrere Kinder dank einer ausländischen Leihmutter haben. Bis jetzt sind es noch Einzelfälle. Die Haager Konferenz für internationales Privatrecht debattiert derzeit darüber, Standards für die Praxis der Leihmutterschaft festzulegen. Das klingt durchaus vernünftig, hätte aber zur Folge, dass nationale Verbote ausgehöhlt werden. In Frankreich, Großbritannien, Schweden, Italien, Rumänien und auch in Österreich haben sich deshalb AktivistInnen und ExpertInnen zusammengeschlossen, um mit der Kampagne »Stop surrogacy« für ein weltweites Verbot der Leihmutterschaft einzutreten. Der englische Begriff für Leihmutterschaft »surrogacy« stammt vom lateinischen Wort für Ersatz.

 

Kampagnen

 

Die internationale Kampagne gegen Leihmutterschaft «Stop surrogacy« hat derzeit über 6.500 Unterschriften. Auch viele Hebammen haben sich angeschlossen. > www.stopsurrogacynow.com

Daneben ist auch die Seite > www.stoppt-leihmutterschaft.at abrufbar, ein überkonfessionelles und überparteiliches Netzwerk von ExpertInnen gegen Leihmutterschaft.

Bisher finden die Beratungen und Abstimmungen ohne eine breite öffentliche Debatte statt. Es werden stets ReproduktionsmedizinerInnen und JuristInnen um ihre Expertise gebeten. Andere Berufsgruppen, die mit den negativen Folgen der Reproduktionsmedizin zu tun haben, werden selten gehört: wie etwa KinderärztInnen, PsychologInnen, Hebammen oder PsychotherapeutInnen. Auch die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie die Leihmütter und Spender wurden bisher nicht angehört.

Wir haben es hier zunehmend mit einer Wunschmedizin zu tun, die neue Zielgruppen und Märkte gewinnen will, indem sie den Druck erhöht, möglichst alle Methoden zu erlauben. Ethische Einwände stehen nur im Weg, könnten sie doch die Maximierung des Profits behindern. Das zeigt sich auch daran, dass in der Debatte rund um Reproduktionsmedizin nur noch diskutiert wird, was gelockert, nicht mehr, was verschärft werden soll.

Man ist sich einig darin, dass die Gesetze viel zu streng seien. Das ist nicht nur ein Hinweis darauf, wie ungeheuer liberal und modern man ist, sondern auch darauf, wer bestimmt, wo es langgeht: der Finanzmarkt.

 

Wie weit wollen wir gehen?

 

Konsum- und Machbarkeitsdenken durchziehen viele Bereiche unserer turbokapitalistischen Weltgesellschaft. Auswüchse der globalen Reproduktionsmedizin wie Zugang für alle, Leihmutterschaft und anonyme Keimzellenspenden oder Genomscreening sind nur Symptome dafür. Die ziemlich abgeklärte, pragmatische Haltung, dass nun mal dieser Markt entstanden sei und Verbote nichts bringen würden, ist erstaunlich. Nur weil es ein Phänomen gibt, können wir keine Verbote mehr aussprechen?
Bei aller Begeisterung für neue Möglichkeiten müssen wir uns fragen: Sollen wir alles tun, was wir können? Wie weit wollen wir gehen? Welches Menschenbild wird hier forciert? Welche Grundwerte sind uns wirklich wichtig? Was ist tatsächlich das Motiv dieser Entwicklung? Wem zum Vorteil? Das ist die entscheidende Frage.

Rubrik: Politik & Gesellschaft | DHZ 04/2018

Buchtipp

Eva Maria Bachinger

Kind auf Bestellung

Plädoyer für klare Grenzen.

256 Seiten, Deuticke 2015, ISBN 978-9-552-06296-2 · 19,90 €

Literatur

Ekman KE: Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft, Menschenhandel. Orlanda 2016

Golombok S: Parenting and the Adjustment of Children Born to Gay Fathers Through Surrogacy. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/cdev.12728/full (letzter Zugriff: 1.3.2018)

Kinderrechtskonvention: www.kinderrechtskonvention.info
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